Redebeitrag der Hochschulgruppe Die Linke.SDS auf der Demo gegen Studiengebühren vom 26. Januar 2010. (Presseartikel 1, 2, 3, Fotos)
Wir sind heute hier, weil wir keine Studiengebühren mehr zahlen wollen. Warum wollen wir das? Wollen wir etwa eine erbrachte Dienstleistung nicht bezahlen? Wollen wir sie uns erschleichen? Sind wir etwa Ladendiebe, sind wir Kriminelle? Nein, denn wir sagen: Bildung ist keine Ware! Und das ist noch nicht einmal eine Utopie oder ein Fernziel, es ist bereits Gesetz. Bildung ist ein Grundrecht nach Artikel 26 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen und wurde im UNO-Sozialpakt auch noch einmal bestätigt. Dort heißt es, Bildung muss für alle da sein, diskrimierungsfrei, explizit auch hinsichtlich des Vermögens und der sozialen Herkunft. Kriminell sind also nicht wir, sondern die Landesregierungen und Politiker, die Studiengebühren eintreiben und die Juristen, die das zulassen.
Nun gibt es aber Studiengebühren. Und sie fördern die soziale Spaltung. Die etwas platte Parole „arm bleibt dumm und reich studiert“ ist so schon fast zur Realität geworden. Wir erleben eine Renaissance der Klassengesellschaft, die Schere zwischen arm und reich geht immer weiter auseinander. Studiengebühren sind eine Manifestation sozialer Ungleichheit und das kann uns allen nicht gefallen. Und jetzt kriechen sie wieder aus ihren Löchern, die Sarrazins dieses Landes, und machen Angst vor der wachsenden Unterschicht, die unser Land abschaffen würde, und fördern eine Entsolidarisierung, statt einen sinnvollen Ansatz zu verfolgen und sich zum Beispiel mal für das Recht auf Bildung einzusetzen.
Dabei beginnt die soziale Ungleichheit hierzulande schon durch das Aussieben in der Schule. Von Chancengleichheit gibt es keine Spur. Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass die soziale Herkunft eines Kindes beim Einschlagen einer weiteren Laufbahn entscheidend ist. In der Uni kann spätestens seit der Einführung von Bachelor/Master auch keine Rede von einer „freien Bildung“ mehr sein. Und so holt man ihn sich dann, den Burnout für 633 €. Diese Zahl setzt sich zusammen aus den 375 € Studiengebühren und den 258 € Semesterbeitrag. Studienkredite können da wohl kaum ein Argument sein, denn wem ist schon zuzumuten sich gleich von der Schule kommend zu verschulden?
Und was werden da für klassistische Argumente bemüht, um Studiengebühren zu rechtfertigen? Die Behautung, es könne doch nicht angehen, dass die Krankenschwester die Ausbildung ihres Oberarztes bezahlt. Dass die Kinder der Krankenschwester vielleicht auch studieren möchten, respektive die Krankenschwester selbst, wird schon gar nicht mehr mit eingeplant. Die Unis drohen sich als Eliteanstalten von der Masse der Bevölkerung abzuschirmen.
Und wenn einer glaubt, ich male hier den Teufel an die Wand, so möchte ich sagen: Ich will gar nicht erst warten, bis es dann irgendwann so weit ist wie in England, wo das Studium schon einen vierstelligen Betrag pro Semester kostet.
Was ist also zu tun, um Studiengebühren abzuschaffen? In Venezuela hat Hugo Chávez das gemacht. In Ungarn kam die Abschaffung über einen Volksentscheid. In der alten Bundesrepublik wurden die Studiengebühren auch schon einmal abgeschafft, und zwar von Hamburg aus. Das sogenannte „Hörergeld“ in Höhe von damals 150 D-Mark wurde 1970 erfolgreich boykottiert, woraufhin die Studiengebühren an allen deutschen Unis abgeschafft wurden. Federführend bei dieser Aktion war damals der AStA der Uni Hamburg.
2006, vom CDU-Senat, wurden dann in Hamburg die Studiengebühren wieder eingeführt. Viele Studierende riefen damals wieder zum Boykott auf. Auch weil der AStA aber diesmal den Boykott boykottierte, machten letztlich zu wenige mit. Anders ist das an der Hochschule für Bildende Künste, der HfBK. Dort boykottiert noch immer ein Viertel der Studierenden die Gebühren und liegen im Rechtsstreit, weil sie ihr Grundrecht auf Bildung einklagen wollen und diesen Menschen gebührt unsere Solidarität!
An der Uni Hamburg hat eine Urabstimmung gezeigt, dass 97% der Studierenden gegen Studiengebühren sind, die Fachschaftsrätekonferenz hat bereits über 31.000 Unterschriften gesammelt und macht weiter, auch die Bildungsstreiks von 2009 und 2010 und die mehrwöchige Besetzung des Audimax waren klare Statements gegen Studiengebühren.
Und nun will der Senat auch noch weiter kürzen an Uni und Studierendenwerk. Das heißt dann: Teureres Mensaessen, teurere Wohnheime, teurerer Semesterbeitrag. Ist Hamburg etwa noch nicht teuer genug? In keinem anderen Bundesland sind die Mieten höher. Mit der HafenCity wurde ein ganzer Stadtteil für Reiche gebaut, die Elbphilharmonie verschlingt Millionen und soll Hochkultur für die High Society liefern. Gleichzeitig muss die Wohnungsbaugenossenschaft SAGA ihre Mieten erhöhen, um besagte Elbphilharmonie zu bezahlen und neuer sozialer Wohnnungsbau findet auch nicht statt.
Beim Widerstand gegen diese falsche Politik kann es nicht um studentische Partikularinteressen gehen. Wir müssen mit allen zusammen halten, die von solchen Kürzungen betroffen sind. Ein breites Spektrum mobilsiert zu einer Demo am 19. Februar und dann werden wieder Tausende sagen: Wir wollen Bildung und Kultur für alle und eine Sozialpolitik, die der Würde des Menschen entspricht. Geld ist genug da! Hamburg ist eine der reichsten Städte Europas mit etlichen Millionären und auch für die gilt das, was im Grundgesetz steht: Eigentum verpflichtet.
Am 16. Dezember 2010, nach dem Rücktritt des schwarz-grünen Senats, hat die Fraktion Die Linke in die Bürgerschaft den Antrag eingebracht, die Studiengebühren abzuschaffen. Ein Block aus CDU, Grünen und SPD hat dies abgelehnt und für Studiengebühren gestimmt. 3000 Menschen demonstrierten an diesem Tag gegen Kürzungen und Studiengebühren und einigen von uns ist es auch gelungen in die Bannmeile vors Rathaus zu kommen, bis sie von der Polizei vertrieben wurden, mit der Begründung, sie könnten Einfluss auf die Entscheidung der Bürgerschaft nehmen. Ich dachte immer, Einflussnahme wäre ein Prinzip der Demokratie.
Der AStA der Uni Hamburg, der zu dieser Zeit Wahlkampf führte und vorgab gegen Studiengebühren zu „kämpfen“, hatte nicht besseres zu tun, als sich von dieser Demonstration zu distanzieren, da er keine „allgemeine Diskussion über Reichtum“ wolle. Zuvor hatten Studierende bereits einige symbolische Banküberfälle durchgeführt und für ein paar Stunden die SPD-Zentrale, das Kurt-Schumacher-Haus, besetzt. Was bringen nun solche Aktionen?
2008 wurden die Studiengebühren in Hessen abgeschafft. Für die zwischenzeitliche rot-rot-grüne Mehrheit im Landtag war dies die erste und letzte gemeinsame Entscheidung. Warum haben sie das getan? Es hatte vorher Massenproteste und Zivilen Ungehorsam durch Studierende gegeben. Inspiriert durch die Massenproteste in Frankreich gegen das CPE, der geplante Wegfall des Kündigungsschutzes für Jugendliche, der durch Demonstrationen und Zivilen Ungehorsam von vielen Schülern, Studierenden und Auszubildenden verhindert werde konnte, ein Gesetz, das in Deutschland einfach durchgewunken wurde, wollten die hessischen Studierenden aufbegehren, wollten französische Verhältnisse schaffen. Und sie haben es geschafft, sie sind auf die Autobahn gegangen und haben sie blockiert. Dadurch wurde den Politikern klar: Die meinen es ernst, denen ist es wichtig, die können wir nicht ignorieren. Deshalb hat auch die CDU unter Roland Koch sich bis heute nicht getraut, die Studiengebühren wieder einzuführen.
Zurück nach Hamburg. Der AStA, der im Wahlkampf damit warb gegen Studiengebühren zu „kämpfen“, begrüßte die Entscheidung der Bürgerschaft. „Wer Studiengebühren abschafft und große Haushaltslöcher hinterlässt, handelt verantwortungslos.“ So reden unsere SPD-Jungpolitiker im AStA. Fehlende Haushaltskompensationen wurden als Grund für die Ablehnung genannt, auch wenn Haushaltskompensationen nicht in einen Gesetzesentwurf gehören. Nur wenige Wochen später wurde bekannt, dass die Hamburger Unis insgesamt 35 Millionen € aus Studiengebühren auf ihren Konten horten. Das Geld wird gespart, statt es für Bildung und Forschung auszugeben, während ein Großteil der Studiengebühren nur für ihre eigene Verwaltung ausgegeben wird. Was für eine Verarschung! Und immer noch gibt es keine klare Ansage von SPD und GAL, ob und wann sie die Studiengebühren abschaffen wollen.
Für uns heißt das zum einen: Weise wählen! Sich informieren, welche Politiker und Parteien für Studiengebühren sind und welche Politiker und Partei für ihre Abschaffung sind. Wichtiger ist aber noch: Druck machen! Wir werden immer wieder auf die Straße gehen, auch mit Mitteln des Zivilen Ungehorsams! Haltet Ausschau nach der Bewegung, es gibt sie auf dem Campus. Und bis sich etwas verbessert werden wir immer wieder hier vors Rathaus ziehen.
Für Solidarität und freie Bildung!
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