Donnerstag, 11. Februar 2010

Rettet die Bildung - Bildet die Rettung!

Während bei YouTube mittlerweile ein etwas sehr schrill geratener Zusammenschnitt der Ereignisse rund um die Audimax-Besetzung vom Herbst zu sehen ist (http://www.youtube.com/watch?v=xdonSQ2p_Bs), ist eine Reform der Reform in Hinblick auf das Bachelor/Master-System in aller Munde. Aber was genau ist darunter zu verstehen und zu erwarten? Dies steht wohl noch in den Sternen. Nun werden sich im März ausgerechnet in Wien, wo die Studierendenproteste im Herbst ihren Anfang nahmen, die Bildungsminister der 46 am Bologna-Prozess beteiligten Länder treffen um das 10-jährige Jubiläum der sog. Reform zu zelebrieren. Es wird zu Protesten aufgerufen (http://bolognaburns.org). In Deutschland ruft das Bildungsstreik-Bündnis indes zu dezentralen Demonstrationen und Aktionen für den 9. Juni auf (http://www.bildungsstreik.net/aufruf/aufruf-2010/)

Um Hamburgs Schülerinnen und Schüler scheint es derzeit auch nicht gut zu stehen. Dabei hatte doch alles so gut begonnen: Unter schweren Bedingungen, und eine CDU-Regierung muss unter bildungspolitischem Aspekt als schwere Bedingung betrachtet werden, hatte die grüne Bildungssenatorin Christa Goetsch eine umfassende Reform des Schulwesens eingeleitet. Die Grundschule heißt künftig Primarschule und soll sechs statt vier Jahre lang eine Schule für alle sein. Haupt-, Real- und Gesamtschulen werden dann künftig zu Stadtteilschulen zusammengefasst, die dann in der 13. Klasse zum Abitur führen. Hierin besteht der zentrale Vorteil der schwarz-grünen Schulreform: Kein Schüler soll mehr auf´s schulische Abstellgleis gestellt werden, denn nichts anderes stellen Hauptschulen heute dar. Als Eingeständnis an die Konservativen bleibt das Gymnasium von Klasse 7 bis Klasse 12 weiterhin bestehen. Ein weiterer Vorteil: „Sitzenbleiben“ und „Abschulen“ werden abgeschafft. So weit so gut, könnte man meinen. Der rot-rote Senat in Berlin hat das Reformvorhaben für sich weitgehend übernommen. Endlich, denn die deutsche Unsitte, Kinder mit 10 Jahren in „gut, mittel, schlecht“ zu selektieren, praktiziert kein anderes Land der Welt mehr. Aber so etwas war hierzulande ja noch nie ein Argument für eine Reform...

Die Alster-Schickeria war entsetzt. Vor allem die zunächst geplante Abschaffung des Elternwahlrechts, welche weiterführende Schule das Kind besuchen soll, erregte die Gemüter. Der Grund für den Zorn liegt auf der Hand: Die Vorstellung, der eigene Sohn bzw. die eigene Tochter könnte bald mit Migranten und Kindern aus „Hartz-IV-Familien“ in einem Klassenraum sitzen, raubt den Schönen und Reichen offenbar den Schlaf. Obwohl die Abschaffung des Elternwahlrechts seitens des Senates längst vom Tisch ist, wird die Schulreform zur schweren Geburt. Nachdem die Initiative „Wir wollen lernen“, vertreten durch den Rechtsanwalt Walter Scheuerl, im November erfolgreich mit viel Geld und Demagogik ein Volksbegehren gegen die Reform initiierte, sind gestern die Gespräche der Initiative mit dem Senat gescheitert. (http://www.spiegel.de/schulspiegel/wissen/0,1518,676103,00.html) Jetzt deutet alles auf einen Volksentscheid hin, möglicherweise am 18. Juli. Nun droht Unheil. Theoretisch wäre hier eine All-Parteien-Kampagne für die Reform denkbar, schließlich haben Linke und SPD in der Bürgerschaft der Reform deshalb nicht zugestimmt, weil sie ihnen nicht weit genug ging, und nicht weil sie jegliche Reformen ablehnen, wie die Scheuerl-Initiative. Es stellt sich nur die Frage, inwieweit der SPD ernsthaft an einer besseren Bildung gelegen ist oder ob die Freude über das Kriseln von Schwarz-Grün hier überwiegt. Den Schwarzen selbst wiederum ist auch nicht zuzutrauen, jetzt nach außen hin eine Reform zu vertreten, die schon im Inneren der CDU zu Verstimmungen geführt hat. So ist es wie so oft im Leben: Alles muss man selber machen! Hamburgs Kindern ist hier viel Glück und Hamburgs Wahlberechtigten viel Weisheit zu wünschen.