Freitag, 13. November 2009

Der AStA geizt nicht mit Armutszeugnissen

Am 11. November, dem ersten Tag der Besetzung, saß ein etwas älterer Herr auf den Rängen im Audimax und gab an, das letzte mal vor 40 Jahren auf einer Vollversammlung der Uni Hamburg gewesen zu sein. Damals hätten hier noch sehr viel mehr Leute gesessen, aber alles fange ja mal klein an. Er wundere sich bloß, wo denn eigentlich der AStA wäre. Der habe doch früher immer solche Aktionen vorangetrieben. Lachen und Applaus gab´s dafür von der Vollversammlung.

Auf der Sitzung des Studierendenparlaments einen Tag später war es dann mal wieder möglich einen Einblick in die fabelhafte Welt des neoliberalen "Service-AStA" der Uni Hamburg zu bekommen. Kaffee habe man nach Wien geschickt, verkündet AStA-Vorsitzender Séverin Pabsch (Jusos) stolz. Und den Besetzern des Audimax in Hamburg habe man auch Geld gegeben, obwohl man ja nicht mit allen Forderungen d´accord wäre. Auf die explizite Nachfrage, welche Forderungen das denn wären, entgegnet Pabsch, dass man die Forderung nach einer "Abschaffung des Bologna-Prozesses" nicht mittragen könne. Zwar ist in den Forderungen der Audimax-Besetzer immer stets von "Reform des Bologna-Prozesses" die Rede, aber derartige Flugblätter werden wohl im AStA-Trakt nicht alzu aufmerksam gelesen.

In einem weiteren Tagesordnungspunkt fordert die Opposition die AStA-Koalition auf, mal ihre virtuelle Kampagne gegen Studiengebühren vorzustellen, die auf der letzten Sitzung als Grund dafür herhalten musste, dass eine hamburgweite Unterschriftenkampagne gegen Studiengebühren, die selbst vom Juso- und SPD-Landesvorstand unterstützt wird, vom AStA nicht mitgetragen wird. Aber hier gibt es keinen Redebedarf seitens der AStA-Koaltion. Eine Vollversammlung auf der beide Kampagnen den Studierenden einmal vorgestellt werden sollen findet ebenfalls keine Mehrheit im StuPa. Auch der Aufruf zu einer Demonstration gegen Studiengebühren am 12.12. wird im ersten Wahlgang durch die AStA-Mehrheit abgelehnt. Erst nachdem Zweifel am Ergebnis auftreten wird ein zweiter Wahlgang durchgeführt. Jetzt stimmt die Juso-Hochschulgruppe plötzlich dafür.

Dann folgt ein Antrag der Opposition, eine Solidaritätserklärung mit den Audimaxbesetzern in Wien zu verabschieden. Doch der AStA hat auch hier wieder Probleme mit gewissen Formulierungen. Auch hier heißt es wieder, eine "Abschaffung des Bologna-Prozesses" käme für den AStA nicht in Frage, obgleich auch in der vorliegenden Solidaritätserklärung diese Formulierung nirgendwo auftaucht. Statt dessen gibt es einen Gegenantrag der AStA-Koalition in dem höchst schwammig "Solidarität mit allen Menschen auf der Welt, die für eine bessere Bildung eintreten" bekundet werden soll. Die den Gegenantrag vorstellende AStA-Vorsitzende Aleksandra Szymanski (WiWi-Liste) muss bei dieser Formulierung selbst lachen. Als die Opposition darüber eine Debatte führen will, wird der Gegenantrag plötzlich zurückgezogen und der Antrag auf eine Solidaritätserklärung mit den Audimaxbesetzern in Wien wird letztlich durch die Mehrheit der AStA-Koalition abgelehnt.

Es folgt ein weiterer Tagesordnungspunkt, in dem die Opposition beantragt das Uni-Kino aufzufordern, den Film "Die Feuerzangenbowle" künftig nicht mehr zu zeigen. Der Film ist eine Produktion des Dritten Reiches, verhöhnt in klassisch faschistischer Manier das humanistische Bildungsideal und seine Aufführung dient an der Uni Hamburg alljährlich zu einem öffentlichen Auftreten von Burschenschaftern. Mit großer Empörung weist der AStA-Kulturreferent Timo Hempel (Jusos) den Antrag zurück und deutet "Die Feuerzangenbowle" zu einem subversiven Film gegen das Naziregime um. Dass es seinerzeit der Führer persönlich war, der den Film autorisierte wird hierbei bewusst oder unbewusst ignoriert. Auch der Antrag gegen die Feuerzangenbowle wird duch die Mehrheit der AStA-Koalition, bestehend aus Jusos, Liberalen, RCDS, WiWi-Liste, Mediziner-Liste, Jura-Liste und Sprachgeist abgelehnt.

Ein zwar absehbares, aber immer wieder erschütterndes Armutszeugnis des AStA der Uni Hamburg.

Sonntag, 1. November 2009

Beeindruckend - die Studierendenproteste in Österreich

Nicht nur, dass aus Österreich einer der besten Radiosender sowie zwei meiner gerngehörtesten deutschsprachigen Musikacts (1, 2) kommen, nein, auch die Studierendenproteste erhalten durch unsere österreichischen KommilitonInnen ein ganz neue Qualität.

Seit dem 22.10. besetzen Studierende in Wien nun bereits das Audimax. An anderen Unis (Graz, Klagenfurt u.a.) des Landes läuft ebenso einiges, wobei man schon konstatieren muss, dass das Protestepizentrum in Wien liegt. Was beeindruckt, sind die famose Organisation, die digitale Kommunikation der Proteste und die vielen Veranstaltungen.

Dass es beispielsweise Live-Streams von den Plenumsdiskussionen gibt, ist schon stark und schafft Transparenz. Da schaut aber sicher auch der österreichische Verfassungsschutz mal genauer hin, wer sich dort am Mikrophon herumtreibt. Für die Vermittlung der Anliegen ist es allerdings gut, wenn es über Social-Networks oder Streams soviel Transparenz wie nötig/möglich gibt (Artikel über den Umgang der Ö-Studis mit dem Netz).

Diskussionen, Demos (letzte Woche in Wien 30000 auf der Straße) kulturelle Veranstaltungen wie Filmabende müssen auch alle erst mal organisiert werden. Ich weiss vom Bildungsstreik, dass das kein Selbstläufer ist. Deswegen Respekt. Jedoch muss man auch hier einfügen, dass man fast das Gefühl hat, einige Organisationen oder Prominente sehen endlich wieder eine Chance sich politisch in der Öffentlichkeit zu präsentieren und nutzen die Sympatiewelle, auf der die Studierenden surfen, um sich selbst als fortschrittlich zu kennzeichnen. Wo waren denn die meisten PolitikerInnen, Kulturschaffenden, Prominenten oder auch ProfessorInnen, vor den Studierendenprotesten?

Die Basic-Forderungen der AktivistInnen aus Ausria sind übrigens diese hier:
1) Bildung statt Ausbildung
2) Freier Hochschulzugang
3) Demokratisierung der Universitäten
4) Ausfinanzierung der Universitäten
5) Das Behindertengleichstellungsgesetz muss an allen österreichischen Universitäten umgesetzt werden, um ein barrierefreies Studieren zu ermöglichen.
6) Beendigung der prekären Dienstverhältnisse an den Universitäten
7) 50% Frauenquote in allen Bereichen des universitären Personals
Die Linke.SDS versteht diese Anliegen nur zu gut, weswegen wir auch eine Solierklärung, die hier zu ereichen ist, selbstverständlich mittragen. Wir sind wirklich sehr angetan, von dem, was dort los ist. Super.

Mal schauen, was wir in Hamburg und Deutschland in der Global Week of Action alles so hinbekommen. Sicher ist aber, dass wir die konsequente Umsetzung der Forderungen nach demokratischen, kritischen, ausfinanzierten, freien und sozialen Hochschulen nur erreichen werden, wenn wir in Gremien, wie den Fak-Räten, dem Akademischen Senat oder dem Stupa immer wieder klar Stellung beziehen und Acht geben, dass wir keine Lippenbekenntnisse ernten.

Alles Gute nach Österreich!