Sonntag, 14. März 2010

Wiederendecktes Lieblingszitat des Tages von A. Demirovic (jW 28.10.2008):

"Es geht deswegen zweitens noch um etwas Radikaleres, um die Erfahrung der Wissenschaft für die eigene Person und das eigene Leben, also um Bildung. Bildung ist nichts diffuses, es handelt sich um die konkrete Erfahrung, daß die Begriffe, die in der Theorie ausgearbeitet werden, auf die praktischen Erfahrungen und das Wissen vieler Menschen zurückgehen. Wir leben in diesen
Begriffen und ändern in der Arbeit an ihnen uns und unsere Verhältnisse. Begriffe sind keine
beliebigen Erfindungen von genialen Einzelpersonen, sondern sind kollektive Produktionsmittel des Denkens, der Art und Weise, die Welt zu erschließen und auf sie einzuwirken. Sie sind objektive Denkformen, die den Wissenshorizont unseres Lebens begrenzen. Deswegen ist es niemals gleichgültig, wie diese Begriffe beschaffen sind, wie sie verwendet werden, in welchen
Zusammenhängen sie stehen, in welche Praktiken sie eingeschrieben sind, welche Macht sich mit
ihnen verbindet.

Die Erfahrung und kritische Aneignung der Begriffe, ihres Zusammenhangs und
ihrer praktischen Bedeutung befähigt dazu, sich im Denken frei und autonom zu bewegen, die
vermeintliche Naturgesetzlichkeit der Gesellschaft, ihre epistemologische Ordnung in Frage zu
stellen und alternative Zukünfte im Gedankenspiel mit anderen zu erschließen. Bestehende Grenzen der wissenschaftlichen Disziplinen und der gesellschaftlichen Arbeitsteilung können durch neuartige Wissenspraktiken derart verändert werden, daß neue Erkenntnisgegenstände, neue Methoden kreativ entwickelt werden, daß alle an den Erkenntnispraktiken und an den
Entscheidungen über das Wissenswerte und die Formen des Wissens teilhaben können."

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