Montag, 31. Mai 2010

Schluss mit der Kumpanei zwischen UKE und Ausländerbehörde!

Die Uni ist nicht nur der Ort, wo Studierende ihre Creditpoints sammeln, in letzter Minute ihre Referate basteln, in den Bibliotheken Fachliteratur lesen, im Knallhart Fair-Trade-Kaffee schlürfen und am Wochenende auf diversen Partys abdancen. Zur Uni gehört auch das Universitätsklinikum Eppendorf (UKE). Hier werden Menschen geboren, Menschen sterben, Menschen werden geheilt, oder eben nicht. Doch zum UKE gehört auch das Institut für Rechtsmedizin. Was hier passiert hat nicht primär mit der Gesundheit von Menschen zu tun. Und auch nicht mit gesundem Menschenverstand.

Der Leiter dieses Instituts ist Dr. Klaus Püschel. Püschel ist kein Unbekannter. Er soll schon einmal gefordert haben, die DNA aller Ausländer bei Grenzübertritt zu speichern. Fest steht seine Rolle als einer der Hauptverantwortlichen für den Tod von Achidi John, der 2001 im UKE bei einem Brechmitteleinsatz starb. Als Institutsleiter ist er heute auch für die Altersfeststellung von Flüchtlingen zuständig. Dieser Vorgang besteht aus dem Begutachten der Weißheitszähne, des Haarwuchses, sowohl im Brust- als auch im Intimbereich, das Röntgen des Handwurzelknochens und das Vermessen der Körpergröße. Diese Praxis ist in Fachkreisen hoch umstritten.

Altersfeststellungen werden durchgeführt, um die „Fiktivsetzungen“ (die heißen wirklich so) des Alters von Flüchtlingen durch die Ausländerbehörde zu überprüfen. Diese Fiktivsetzungen finden durch bloße Inaugenscheinnahme oder auch nur durch die eines Fotos statt. Im Gegensatz zu einheimischen Jugendlichen gelten Flüchtlinge bereits mit 16 Jahren als „voll handlungsfähig“ im Sinne des Gesetzes. Bei einer Altersfeststellung von über 18 Jahren verlieren sie zusätzlich noch das Recht auf Unterbringung in einer Jugendeinrichtung, Schutz vor Umverteilung in andere Bundesländer und das Anrecht auf Schulbesuch. Auch eine Abschiebung ist dann leichter und schneller durchführbar.

Früher war es so, dass Flüchtlinge gegen diese Fiktivsetzungen durch ein ärztliches Gutachten vorgehen konnten. Bereits seit 1997 durften in Hamburg nur noch sechs niedergelassene Ärzte diese Untersuchungen durchführen. Zu dieser Zeit wurden noch in über 50% der Fälle die Fiktivsetzungen nach unten hin korrigiert. Seit 2001 dürfen Altersfeststellungen nur noch im UKE durchgeführt werden. Mittlerweile werden diese Altersfeststellungen nicht mehr auf Wunsch der Flüchtlinge „freiwillig“ durchgeführt, sondern stets von der Ausländerbehörde angeordnet. In der Zeitspanne von April 2009 bis April 2010 wurden hierbei von 172 Fiktivsetzungen nur 9 rückgängig gemacht. Es drängt sich hierbei der Verdacht auf, dass das UKE sich hier zum Handlanger einer Politik macht, die Flüchtlinge möglichst schnell und kostengünstig loswerden will. (http://de.indymedia.org/2010/02/274263.shtml)

„Café Exil“, eine unabhängige Beratungsstelle für MigrantInnen und Flüchtlinge hat eine Begleiterfahrung veröffentlicht:

Bei Altersuntersuchungen im UKE wurde weiblichen Begleitpersonen der Zutritt zum Untersuchungsraum verweigert, da die zu untersuchende Person männlichen Geschlechts war und sich ausziehen müsse. Der Sachbearbeiter der Ausländerbehörde blieb jedoch anschließend bei einer weiblichen Person, bei der die gleiche Untersuchung gemacht wurde, im Raum. Vor dem Start der Altersuntersuchung blieben Sachbearbeiter und Mediziner über 10 Minuten in einem Raum allein. Der Sachbearbeiter verweigerte im Anschluss Begleitpersonen, die Untersuchungsergebnisse gemeinsam mit ihm beim Mediziner einzusehen. Stattdessen blieb er 30 Minuten weg und kam mit den Papieren mit dem angekreuzten, jetzt endgültig „festgestellten“ Alter zurück. Dieses Verfahren der „Altersfiktivsetzung“ wurde am 22.7.09 durch einen Beschluss des Hamburger Verwaltungsgerichts im Eilverfahren für rechtswidrig erklärt, aber da in der Hauptsache noch nicht entschieden wurde, macht die Ausländerbehörde einfach weiter. Um weitere vermutlich erfolgreiche Widersprüche dagegen zu verhindern, wird in Verhören gleich nach Ankunft den Jugendlichen in den Mund gelegt, sie wollten keinen Asylantrag stellen (der Gerichtsbeschluss bezieht sich nur auf Asyl Beantragende). Noch am selben Tag wie die Altersuntersuchung werden die zu Erwachsenen erklärten Jugendlichen meist in ein anderes Bundesland umverteilt, so dass es kaum möglich ist, in Hamburg einen Rechtsanwalt zu beauftragen.“ (http://cafe-exil.antira.info/2009/12/begleiterfahrung-in-der-sportallee)

Der Bürgerschaftsabgeordnete Mehmet Yildiz (DIE LINKE.) hat im Januar eine schriftliche kleine Anfrage an den Senat u.a. zum Thema Altersfiktivsetzungen gestellt. Der Senat gibt darin zu, dass das Röntgen, bis April 2009 bei Altersfeststellungen noch verboten, mittlerweile zum Regelfall geworden ist.

Auf die Frage: „Welche sonstigen Möglichkeiten gibt es für Betroffene, ihr Alter zu belegen (zum Beispiel Geburtsurkunden, andere ärztliche oder psychologische Gutachten) und unter welchen Bedingungen werden sie akzeptiert?“

antwortet der Senat: „Das Lebensalter kann durch anerkannte Personaldokumente belegt werden, in der Regel durch Reisepässe des Herkunftsstaates. Diese Dokumente müssen dem Betroffenen zweifelsfrei zuzuordnen sein. Ärztliche oder psychologische Gutachten, die nicht durch das UKE erstellt wurden, werden von den zuständigen Behörden als Beleg des Lebensalters nicht akzeptiert.“ (http://www.linksfraktion-hamburg.de/nc/buergerschaft/initiativen_und_antraege/kleine_anfragen/detail/archiv/2010/januar/zurueck/kleine-anfragen/artikel/minderjaehrige-unbegleitete-fluechtlinge-muf-insbesondere-die-zugaen-ge-inobhutnahmen-altersfik/)

Doch so akzeptabel das klingt, so unbefriedigend ist die Wirklichkeit. Aus dem Begleiterfahrungsbericht von Café Exil: „Während bei Papieren, die zur Abschiebung dienen, die Echtheit von der Behörde nie in Frage gestellt wird, wird bei so gut wie allen Dokumenten, die Flüchtlinge vorlegen, um ihr Alter, ihre Asylgründe oder ein Abschiebehindernis zu belegen, erst einmal unterstellt, diese Papiere seien gefälscht. Das treibt so kuriose Blüten, dass z.B. Geburtsurkunden ohne Foto nicht anerkannt werden (in welchem Staat gibt es solche Urkunden mit Babyfotos?). Oder die „Prüfung“ von Papieren dauert so lange, dass ihre Gültigkeit abläuft. Ohne Einschaltung eines Rechtsanwalts haben die meisten Flüchtlinge und Migrant_innen keine Chance, dass wichtige Dokumente anerkannt werden.
Es kommt in der Sportallee
(der Ausländerbehörde) öfter vor, dass eingereichte Papiere, z.B. Pässe oder Geburtsurkunden, einbehalten werden, ohne dass den Flüchtlingen und Migrant_innen dafür eine ihnen zustehende Bescheinigung ausgestellt wird. Später heißt es dann oft, die Dokumente seien nicht mehr auffindbar.“

Bleibt noch zu erwähnen, dass der 110. Deutsche Ärztetag sich gegen eine Beteiligung von Ärzten bei Altersfeststellungen im Asylverfahren ausgesprochen hat. Begründet wird dies durch die Unvereinbarkeit mit dem Berufsrecht von Ärzten, da es sich hier weder um Maßnahmen zur Verhinderung noch zur Therapie einer Erkrankung handele. Auch die potentielle Gefahr von Röntgenstrahlen und die wissenschaftliche Umstrittenheit des Verfahrens dienen zur Begründung. (http://www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=0.2.20.4640.5168.5283.5370.5372)

Zur kommenden Sitzung hat Die Linke.SDS an das Studierendenparlament den Antrag gestellt, das Institut für Rechtsmedizin und insbesondere Dr. Klaus Püschel aufzufordern, künftig keine Altersfeststellungen von Flüchtlingen für die Hamburger Ausländerbehörde mehr durchzuführen. Außerdem soll die Verfasste Studierendenschaft beauftragt werden, eine Informationsveranstaltung unter Einbeziehung von Flüchtlingsorganisationen im UKE stattfinden zu lassen und finanzielle Mittel für eine Flyerkampagne zu dem Thema bereit zu stellen.

1 Kommentar:

  1. hallo, ich kann vielem aus erfahrung nur

    zustimmen im moment betreue ich zwei flüchtlinge, brüder aus afghanistan. sie sind im alter von 14 und 17 kommen aus griechenland einem f-lager nach deutschland berlin gekommen, wurden dort ohne altersfestsellungsverfahren, pi mal daumen zu 20 und 17 gemacht und weiterverteilt nach chemnitz.

    der dolmetscher in berlin hat jede menge mist
    erzählt ( in chemnitz viele nazis, schläge, trennung der brüder etc.) so sollte vermieden werden das sie einen asylantrag stellen? der dolmetscher riet ihnen lieber wieder zurück zu gehen.
    älter gemacht und weiterverteilt nach chemnitz sind die jungs mit der angst vor nazies etc. dort nie angekommen sondern nun in hamburg gestrandet.

    hier gab es wohl so etwas wie einen telefonischen kontakt bei dem die jungs jedoch nicht schlafen konnten. sie lebten auf der strasse und sprachen direkt mich vor meiner kita an. ich denke das der hinweis von einer der zahlreichen afghanischen familien aus meiner kita kam, dies bleibt jedoch ungeklärt.

    ich sitze für den landes-elternausschuss auch im landes-jugendhilfeauschuss und einigen anderen gremien, bin aber kein träger mit background oder ressourcen!

    eine telefonie von pontius zu pilatus begann denn die kinder brauchen pädagogische wie auch psychologische betreuung. jedoch fühlt sich in HH niemand verantwortlich. eine inobhutnahme durch den KJND scheiterte daran das man sich an das alter auf den BÜMA-Bögen halten will sowie dort auch auf den verteilungsort chemnitz! der totale drehtüreffekt! eine retrospektive stellungsnahme eines artzes für arbeits und sportmedizin der 14 und 16-17 bestätigt und eher für wahrscheinlich hält wurde dabei völlig ausser acht gelassen!

    was kann ich für die kinder tun, eine lösung muss her?

    ich kenne den evaluationsbericht der bsg/familie und verbraucherschutz sehr genau, nebst habe ich nicht nur hier in hamburg sondern auch in
    berlin flüchtlingsrat, kontaktadressen angerufen, mit dem resultat das alle die tatsache vergessen das es minderjährige sprich kinder sind. es wird sich strikt an die bürokratie gehalten, auf kosten dieser seelen, die jungs plagen nachts alpträume, privat bei einer bekannten afghanischen familie untergebracht müssen sie nachts geweckt werden weil sie im schlaf schreien oder weinen. das ist keine polemik sondern realität! der 14jährige weint ständig oder lacht unkontrolliert, ich denke scham spielt eine große rolle. aus verhaltenspsychologischer sicht fehlt jegliche reife zu einem alter von 20 und 17. aber wen ich auch anspreche, tze, es will keiner helfen.

    einige aussagen von angeblichen experten nach müsse man sich lediglich um die hh'er flüchtlinge kümmern und nicht auch noch um die die schon weiterverteilt wurden!

    zum drehtüreffekt

    die jungs gegen ihren willen und ihre ängste werden weiterverteilt würden dort jedoch nie ankommen , wieder irgendwo anders aussteigen, wären wieder auf der strasse und das spiel beginnt von vorn! ist das gut?

    senatsverwaltung berlin? - die für minderjährig unbegleitete flüchtlinge zuständig ist - dort ist ständig besetzt. niemand zu sprechen!


    was kann ich nun tun um den hamburgern klar zu machen das die jungs nun mal jetzt hier sind ( ob sie nun aus berlin gekommen, oder schon verteilt wurden nach chemnitz) das problem ist hier und jetzt!

    welche argumente fehlen mir um ihnen diese dringlichkeit klar zu machen?
    ich brauche deine hilfe hamburg!!!
    0176 680 54 655
    mrs. fabri-riedel

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